<
Startseite

 

Die Entfaltung der Wallfahrt und Wallfahrtsfrömmigkeit

Wallfahrten sind Bindungen außergewöhnlicher Gebete und Opfer an bestimmte Orte. Sie gründen in einem besonderen Vertrauen auf Erhörung. Nach der Vollendung der Wallfahrtskirche verstärkte sich die Zahl der Einzelpilger und der Prozessionen. Die jährlichen Kommunionen betrugen im 18. und 19. Jh. durchschnittlich 2.000, was bei der damaligen Seltenheit des Kommunionempfanges bei der Eucharistiefeier auf eine erhebliche Zahl von Pilgern schließen lässt.

Die pastorale Betreuung der Wallfahrer wurde von den Kapuzinern bis zur Aufhebung ihrer Niederlassung im Jahre 1002 besorgt. Dann treten an ihre Stelle Weltpriester, seit 1907/08 Patres des Karmelitenklosters. Die Pilger konnten sich bis zur Säkularisation auch an den in der Nahe wohnenden Einsiedler wenden. 1758 hatte er eine neue Klause erhalten. Außerdem bestand seit 1742 ein Priesterhaus südlich der Kirche für die Seelsorger, die täglich aus dem Tal zu den Gottesdiensten heraufstiegen. Auch für eine Mesnerunterkunft wurde gesorgt.

Zu den offiziellen Besuchen der Pfarrei St. Johannes zählten die Wallfahrtsprozessionen am Sonntag nach dem Patrozinium (25.  März), am Bittsonntag (Sonntag nach Christi Himmelfahrt), am Erntedankfest und am Fest Mariae Himmelfahrt. Noch im Jahr 1938 wurden diese Termine eingehalten. Heute finden die monatlichen Fatima-Feiern (jeweils am 13. des Monats), die Feier des Frauendreißigers und die Maiandachten dort statt, außerdem die tägliche Messfeier. Große Festtage brachte das Jahr 1823 (l) mit der Feier des 100jährigen Wallfahrtsjubiläums. Am 27. August 1854 gab Bischof Georg Öttl der nur benedizierten Kirche die feierliche Konsekration. 1925 wurde das Zwei-Jahrhundert-Jubiläum (Benediktion der Kirche 1725) begangen und am 30. Oktober 1977 nach der glanzvollen Restaurierung der Kirche (1975/77) wurde die Weihe des neuen Volks-Altares und die Segnung der neuen Orgel von Bischof Dr. Alois Brems, Eichstätt, vorgenommen. 1987 wurde mit Bischof Dr. Karl Braun das 300jährige Wallfahrtsjubiläum gefeiert.

Erhaltung und Erneuerung der Kirche

Die wichtigste künstlerische Bereicherung innerhalb der langjährigen Wallfahrtsgeschichte erhielt der Innenraum 1755 durch die Errichtung des prächtigen Hochaltares von Johann Ulrich Wüst (Wiest) und die Aufstellung einer barocken Orgel im gleichen Jahr. Von den ursprünglich zahlreichen Votivbildern sind am bedeutendsten drei noch erhaltene Stiftungen des Rates der Stadt aus den Jahren 1742, 1796 und um 1800.

Schwere Zeiten brachen herein und drohten den Bau zu zerstören. Nachdem große Wasserschäden das Langhaus beim Eingang gefährdeten, entschloss man sich 1757, den nur zum Teil aufgeführten Turm auszubauen. 1796 plünderten durchziehende Franzosen das Heiligtum. 1841 zündete am Abend des 25. September ein Blitz den Turm, die Glocken zerschmolzen. Durch den Einsatz der von allen Seiten herbeieilenden Bevölkerung konnte das Kirchengebäude noch gerettet werden. 1842 erfolgte der Wiederaufbau des Turmes, leider nicht mehr mit dem barocken, zwiebelförmigen Haubenabschluss, sondern durch ein neuromanisches Glockengeschoss mit Helmspitze.

1945 ging durch Beschuss amerikanischer Truppen der Turm abermals in Flammen auf, wurde aber rasch wieder hergestellt. Der Weg mit den Kreuzwegstationen, der vom Talgrund auf die Höhe führt, bedurfte ständiger Pflege, so 1785, als er neu angelegt wurde. 1847 erfolgte die Anschaffung eines neuen Kreuzweges, ebenso 1931. Das Kirchengebäude selber verlangte, da es dem Wetter stark ausgesetzt ist, häufig Erneuerungsarbeiten. Eine Kirchenrestauration erfolgte 1875/76, 1881 wurde der Hochaltar erneuert. 1975-77 führte die Pfarrei St. Johannes die gründlichste und gelungenste Restaurierung in der Geschichte der Wallfahrt durch: die Sanierung der feuchten Grundmauern, die Erneuerung des Daches, die durchgehende Festigung des locker gewordenen Stuckes am Gewölbe und dessen farbliche Fassung nach dem ursprünglichen Befund und den Einbau einer Orgel in das noch erhaltene Rokokogehäuse durch die Firma M. Mathis aus Näfels/Schweiz mit 14 klingenden Registern in einer erstaunlichen Klangfülle.

Auch die Altäre, Beichtstühle und die Kanzel erhielten ihre ursprüngliche Fassung wieder. Wie einst im 18. Jh. Dekan Johann Georg Nieberlein (1709-1741) für die Entstehung der Wallfahrtskirche führend tätig wurde, hat Dekan Kaspar Hirschbeck in den Jahren 1975-77 für die vorbildhafte Wiederherstellung des Heiligtums mit hohem künstlerischem Einfühlungsvermögen (beide Dekane haben in ihren Studienjahren die große Kunst Roms kennengelernt) im Zusammenwirken mit der Firma Hugo Preis/Parsberg, Großes geleistet. Von den 975.000 DM Gesamtkosten entfallen 620.000 DM auf Eigenleistungen, die im Vertrauen auf die Opferwilligkeit der Bevölkerung aufzubringen waren. 

 

Wallfahrt und Landschaft

Nach dem Verlassen der Kirche würde zur Zeit durch eine Baumkulisse verstellt vom Vorplatz aus das großartige Panorama einer weiten Landschaft sich eröffnen. Nur vom Obergeschoß des Klosters ist über die Baumkronen hinweg dieser Rundblick noch möglich. Er gehört zur ursprünglichen Konzeption des Wallfahrtsprogrammes. Ehe man den Wallfahrtsberg verlässt, sollen zuletzt die Menschen in der unten liegenden Stadt, in den Märkten, Dörfern und Gehöften bis an die Grenzen des Horizontes einer höheren und übergreifenden Planung und Behütung anempfohlen werden.

Noch im vorigen Jahrhundert hat ein namenloser Pilger im Sulzbacher Kalender von 1863 „die herrlichste Fernsicht“, wohl die schönste in der Diözese Eichstätt, geschildert. lm Südwesten erhebt sich über dem weiten Sulztal in der Ferne der steile Doppelberg des Sulzbürges mit den beiden Kirchen. Es folgt der trapezförmige Höhenzug des Buchberges. Nach Westen öffnet sich der tiefe Einschnitt des Möninger Tales mit dem mächtigen Turm der Pfarrkirche von Berngau, dahinter der Möninger Berg mit seiner Kapelle und an klaren Tagen am Horizont der Schloßberg bei Heideck. Er markiert die Westgrenze des Nordgaues und des bayerischen Stammes. Weiter rechts folgt der steile Kegel des Stauferberges, im Vordergrund, tief unten liegend, die in ihren neuen Siedlungen weit ausgreifende Stadt. Nach Norden bildet die Ruine Wolfstein den Eckpfeiler für das Wallfahrtspanorama.

Auch umgekehrt wäre von all diesen Punkten aus das Marienheiligtum, ohne die derzeitige Waldverdeckung, ein Blickpunkt in der Landschaft, den man nicht vermissen möchte.

Bedeutung und Sinngebung

Die Mariahilfkirche gehört kunstgeschichtlich zu den mittelgroßen, in ihrem Äußeren zu den bescheidenen Bauten des bayerischen Hochbarocks. Die innere Raumgestalt ist von hoher Qualität. Einheimische Kräfte mussten in harter Konkurrenz nochmals einem „welschen“ Meister in der Spitzenleistung der Stuckierung den Platz räumen. Der historische Hintergrund am Horizont der Wallfahrtsgeschichte ist unübersehbar: die tödliche Bedrohung des christlichen Abendlandes durch die islamische Türkengefahr, aber auch der frohe Aufbruch nach einem Jahrhundert der Glaubenserneuerung im Vertrauen auf die Fürsprache Martens in Krisensituationen des Einzelnen und der Völker. Die Mariahilfkirche über Neumarkt ist schließlich ein Denkmal für den religiösen Sinn und unermüdlichen Eifer einer städtischen Bürgerschaft, die dank ihrer Zähigkeit ihr Marienheiligtum vollenden konnte.

Die Beschreibung der Wallfahrtskirche stammt von Prof. Dr. Andreas Bauch (†) 

Archivalien: Staatsarchiv Amberg: Oberpfälzer Kirchenakten 5496, 5502, 6500; Oberpfälzer Kirchenrechnungen 10671071; Zugänge Nabburg Nr. 2670, Fasz. 4; Tilly`sches Oberamt Freystadt Nr. 1. Pfarrarchiv St. Johannes Neumarkt/0pf.: Tauf-, Trauung- und Sterberegister 1647-74, 1717-47. Pfarrarchiv Lengenfeld: Pfarrmatrikel l (1610-1737), S. 114; II (17371803), S. 154; Kirchenrechnungen 1693. Pfarrarchiv Waltersberg: Vertrag mit Ulrich Wiest, 1763 Pfarrarchiv Schrobenhausen: Taufmatrikel 1658 ff.

Literatur: Kalender für kath. Christen zum Jahr 1863. Sulzbach. S. 71 -73. Giehl Th.. Neumarkt in der Oberpfalz mit dem Mineralbad und Umgebung. Amberg und Neumarkt 1973. S. 15-19.Matrikel des Bisthums Eichstätt nach dem Stand des Jahres 1875, Eichstätt 1882, S. 331. Eberl A., Geschichte der Bayerischen Kapuzinerordensprovinz. Freiburg/Br. 1902, S. 184. Romstöck M., Wallfahrtsbüchlein Mariahilf, Neumarkt 19082, S. 3-38 (1. Auflage Neumarkt 1900, S. 4-24). Trepplin Dor., Bau und Ausstattung des Klosters Ebrach im 17. u. 18. Jh., Berlin 1937, 29.Buchner Fr. X., Das Bistum Eichstätt II, Eichstätt 1938, S. 242-262. Kunstführer Schnell & Steiner Nr. 2744, München 1979, Klosterkirche Ebrach (Wiemer W.), S. 15. Kunstführer Nr. 610, München 1955, Kloster Schöntal (Mellenthin E.), S. 2. Kunstführer Nr. 620, München 1955, Kapuzinerkirche Eichstätt (Hoedl F.X.), S. 6-9. Ried K., Neumarkt in der Oberpfalz, Neumarkt 1960. bes. S 256-270. Mindera K., Mariahilf, Ein Beitrag zur religiösen Volkkunde, München 1961. Kunstführer Schnell & Steiner Nr. 688, München 1962, Stiftsbibliothek Waldsassen (Stiebitz Th.), S.2.Döry, G. L., Die Tätigkeit der italienischen Stuckateure 16501750 im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme von Altbayern, Schwaben und der Oberpfalz, in: Arte et artisti die Laghi  Lombardi II, Como 1964, S. 140. Lippert K.L., Giovanni Antonio Viscardi, München 1969, S. 14/15, 134, 141. Schomann H., Kunstwanderungen in Bayern nördlich der Donau, Stuttgart 1971, S. 195. Lucas Cranach, Der Maler und seine Zeit. Herausgegeben vom Mitteldeutschen Kulturrat. o.O., 1972, S. 44-49. Lang H., Die Burg und Herrschaft Breitenegg unter Johann Tserclaes Graf von Tilly, in: 17. Jahresbericht des Hist. Vereins Neumarkt (Jahrgang 1971/75), S. 23-32. Ders.: in: Markt Breitenbrunn 1100 Jahre, Neumarkt 1976, S. 29. Kunstdenkmäler von Bayern: II (Oberpfalz) 4 (B. A. Parsberg), 1906, S 29, 63, 92. II, 14 (B. A. Tirschenreuth), 1908, S. 105; II, 16 (B. A. Amberg) 1909, S. 194; II, 17 (B. A. Neumarkt), 1909, S. 49-51, 217; III (Unterfranken), 8 (B. A. Gerolzhofen), 1913, S. 282; III. 17 (Stadt und B. A. Schweinfurt), 1917, S. 170. Thieme U./Becker F., Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler, Leipzig 1907 ff.: Bd. XXVII (1933), S. 445; Bd. XXX (1936), S. 61 u. 183; Bd. XXXV (1942), S. 546. Verschiedene Hinweise werden dem Staatsarchiv Amberg. Herrn Prof. Dr. Helmut Witetschek, Eichstätt, Herrn P. Gerhard Arnold OCD und besonders Herrn Dekan Kaspar Hirschbeck sowie Herrn Oberstudienrat Herbert Lang, alle Neumarkt/Of., verdankt.